Poem

TIZIANS NEUE ZIMMER

All die Sitzkissen schwitzen. All die Zierfische japsen
Hinter Panzerglas, wo das Wasser wie von Brausetabletten schäumt
Und die Algen sich Blut zufächeln. Mit zerfressenen Flossen
Ging der Krieg im Aquarium zuende. Der dickliche Guppy träumt.
Vor dem Sofa, verrenkt, liegt ein Strumpfpaar mit Strapsen,
In den letzten Zügen im Kristall die Zigarre. Wie hingegossen
Breiten sich Stoffbahnen aus um die Fenster, knöcheltief, Kelims.
Im ganzen Apartment schmelzen, an den Wänden in goldenen Tiegeln
Pastose Farben zu etwas das Rosen ähnelt, Mondgebirgen, PhIegmonen –
Ein Frauenakt hier, dort eine Bibelszene. Pro Glasschrank drei Spiegel
Decken den Rückzug ins Labyrinth. Was da klirrt als Klimbim,
Die Fayencen, die Lüster schmeicheln den feisten, kinderlosen Bewohnern
Die auf Kommoden von Photos lächeln, auf Kreuzfahrt, die ewige Crew.
Im Radio liest jemand, sich klösterlich räuspernd, das Decamerone,
Und nur der Afghane, sein Fell eins mit den Teppichfransen, hört zu.
‘Wie es war, willst du wissen, chérie? Wie mit himmlischen Geigen...
Gespielt? War das Stöhnen gespielt? Frag die Fische, sie schweigen.’

original title: 'TIZIANS NEUE ZIMMER'




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